NEUIGKEITEN

von ENDURADO

On the road

Über 2.400 Kilometer später rollt die Katie in Toledo in ohrenbetäubender, schwüler Vorstadtidylle vom Hänger. Hier sieht es aus, wie man es aus den Filmen kennt. Die Häuser stehen 15 Meter zurückgesetzt von der Straße, davor Rasen oder riesige Einfahrten in die Garage. Es fehlt nur noch, dass ein Zeitungsjunge vorbeikommt und die aktuelle Ausgabe in die Haustür wirft. 

 Darren und sein Sohn haben mich mitgenommen auf den Marathon, der uns aus der Wildnis Wyomings nach Toledo in ein industrielles Zentrum der USA führt. Wir sind 26 Stunden am Stück unterwegs gewesen. Angehalten haben wir nur zum Tanken, Kaffee trinken und Burger kaufen. Über Nacht, haben wir Nebraska, Iowa, Illinois und Indiana durchquert. Im Wesentlichen flache und weite Ebenen mit Kornfeldern. 800 Kilometer Regen waren auch mal dabei.

“Set cruise control to 78 and let it roll.” Mit diesen Worten macht Darren auf dem Beifahrersitz die Augen zu. Das Speed Limit steht bei 70 und für 8 Meilen mehr gibt´s in USA kein Ticket. “Fremde sind Freunde, die Du noch nicht kennst.” Hat Günne mal gesagt, als er sich neben mir in Marrakesch in den Lkw gelegt hat, nachdem wir uns 2 Stunden kannten. Klingt kitschig, aber es hat was Wahres. Vor drei Tagen hab ich noch keinen der Jungs gekannt und jetzt versuche ich uns mit dem 400 PS Dodge zu zwei Dritteln schlafend nach Toledo Ohio zu kutschieren. 

Das ist die ganze Mannschaft in Zivil vor unserer Bleibe in Hyattville. Es sind drei Typen in meinem Alter, die mit Ihren Söhnen und Neffen jedes Jahr eine Woche zum Endurofahren unterwegs. Die sieben mache keine Reise, sondern sind auf derbere Trails aus, die sie dann zusammen irgendwie meistern. 

Getroffen haben wir uns kurz auf dem Weg nach Ten Sleep in einem Mini-Ort ohne Namen. Zwei von den Jungs waren mit der Army in Deutschland stationiert. Das kommt immer schnell zur Sprache und bietet Anknüpfungspunkte. Wir haben ein gemeinsames Ziel: Ten Sleep.

Ich bin als erster da und für mich gibts nach dem Tanken erstmal ein Eis bei Dirty Sally, dem Tante-Emma-Laden. Danach geht´s für mich zu Brauerei, denn da will ich Justin treffen, der mir da Ventile einstellen in seiner Garage angeboten hat. Dort treffe ich dann die Jungs wieder und wir trinken ein erstes Bier.  Danach verschwinden die 7 und ich versuche mal was zu essen zu kriegen.

Die Big Horn Bar gegenüber von Dirty Sally scheint mir die beste Wahl zu sein. Ich werde freundlich von Massi begrüßt. Es gibt nur tiefgekühlte Pizza, sonst nichts zu essen. Massi schuckt mich zum Kühlschrank, ich soll mir eine aussuchen. Speisekarten werden oft überbewertet.

Ich hau die knüppelharte Pizza auf den Tresen und Massi eilt damit zur Mikrowelle. In der Zwischenzeit haut mich David an.

David ist der Partner von Justin. Ihm gehört ein Teil der Brauerei und er war schon viele Male in Deutschland. Natürlich hat er auch ne Harley in der Garage.

David stellt mich dann noch Marlene vor, die zwei deutsche Großmütter in Bremen hat. Dann ist meine Pizza fertig und solange ich esse, bleibt die Situation übersichtlich.

Direkt nach der Pizza geht es weiter, an einem Vierertisch sitzen ein paar Youngster, die mein Motorrad draußen gesehen haben und nun wissen wollen, wo ich her komme und was ich hier will. Ein bisschen Flucht ist dabei, als ich bezahle und zurück zur Brauerei fahre. Ich will ja noch Justin treffen. Ich muss ein bisschen warten, da er noch mit seinem Sohn unterwegs ist.

Während ich ein Ten Sleep – Spee Goat – Bier zu mir nehme, setzt sich ein Ehepaar zu mir und fragt nach Motorrad und Reiseroute. Kurz, es ist unglaublich, wieviele Leute ich in einem so kleinen Ort in so kurzer Zeit kennengelernt habe.

Nachdem ich Justin getroffen habe, fahre ich zu den Jungs, die das Airbnb in Hyattville gebucht haben. Die Tour, die wir am nächsten Tag zusammen machen, habe ich im  letzten Beitrag ja schon beschrieben.

 

Nachdem wir zurück sind und gegessen haben, geht´s mit den Trucks nach Ten Sleep zur Brauerei. Dort gibt´s “Open Mic”. Was soviek heißt, wie jeder der mag darf auf die Bühne und seine Kunst zum besten geben.

A,s wir da einlaufen, gibt´s schon ein großes Hallo. “Markus is back” Tatsächlich sind ein paar Leute da, die ich am Vortag kennengelernt habe. Es ist einfach unglaublich.

Wer in Wyoming ist, kommt um eine Runde Corn Hole nicht herum. Irgendwie ist das die amerikanische Form des Boccia. Mit Mais gefüllte Säckchen müssen auf ein Brett mit einem Loch, bzw. dort hinein geworfen werden. Über eine relativ komplizierte Punkteberechnungsmethode wird der Punktestand und der Sieger ermittelt. Unsere ganze Mannschaft tritt natürlich an.

Der “Open MIc” Day bringt nun auch keinen Punk-Rock auf die Bühne, sondern eher weich gespülte Country-Musik. Die idyllische Lage der Brauerei und das harmlose Maissäckchen werfen vermitteln eine friedliche Stimmung. Alle die da sind, sind irgendwie Freunde. Es ist wie am Heiligen Abend in Düsseldorf in der Altstadt.

Dennoch, irgendwann geht´s zurück. Diesmal sitze ich in Davids Truck. David fährt einen höhergelegten Ford und stet auf Hard Rock. Zurück nach Hyattville fahren wir dann auch nicht über die Straße sondern die Abkürzung über den Schotter.

Mit der friedlichen Atmosphäre ist es vorbei, als der Schotter aus jeder Kurve spritzt, Metallica aus den Lautsprechern dröhnt und durch die offenen Fenster die Blitze zucken. Es gewittert anständig, aber hier bei uns ohne Regen. Heroischer kann man so ne Rückfahrt aus der Vanillaszene an der Brauerei nicht mehr inszenieren. David wirkt sehr zufrieden…

All das hat sich zugetragen vor 48 Stunden und 2.400 Kilometern Entfernung.

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