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von ENDURADO

American Harz

Zum ersten Foto muss ich nichts weiter sagen. Doch ich sag nur von 12 bis 5 und zwar heftig.

Ein paar Bilder von West Virginia will ich zeigen, die schon an den Harz erinnern. Sorry für das erneute Harz-Bashing. Aber tatsächlich ist eine vor sich hin sterbende Region. Und so sieht es hier in dem Teil von West Virginia, der mir begegnet auch aus.

Alles wirkt marode und was kaputt geht, wird auch nicht wieder repariert, so fühlt es sich an. Meine Straße führt durch ein Tal, durch das ein kleiner Fluss fließt und in dem eine Eisenbahnlinie verläuft. Zwischendurch gibt es Industrieanlagen, die Kohle verarbeiten oder verladen können. Offensichtlich hat es hier mal bessere Zeiten gegeben, als Kohle noch en Vogue war.

Unterwegs gibt es auch Verkehr, den ich nicht mehr gewohnt bin. Irgendwann nimmt mir einer bei Tempo 80 beim Auffahren auf die Straße in Gegenrichtung brutal die Vorfahrt. Einen Meter vor seiner Fahrertür komme ich mit aufgerissenen Augen zum Stehen. Kein Unrechtsgefühl auf seiner Seite, er fährt ohne jede Regung weiter. Die einsamen Routen der letzten Wochen haben meine Sinne einschlafen lassen. Ansonsten hätte ich den Mordversuch vielleicht früher erahnt. Auf jeden Fall ist jetzt erst mal mindestens ein Kaffee fällig.

Und zwar auf jeden Fall hier: Griechen in West Virginia, da muss ich rein.

Von diesen Zeiten wissen diese beiden sympathischen Virginier zu berichten. Sie ist übrigens tatsächlich amtierende Griechin und es gibt sogar echtes Baclava. Beide interessieren sich sehr für die Geschichte der Gegend, wissen viel zu erzählen und veranstalten Vortragsabende zu diesem Thema. Sie erzählen mir von Welch, einem Nachbarort, der mal 100.000 Einwohner hatte und als New York City des Tals hier galt. Da bin ich später hingefahren. Aber erst noch in Blick ins Regal.

Ich finde, das ist ein echter Hingucker: die perfekte Mischung von Mutter Gottes und Kill Bill und das hier morgens um halb zehn in West Virginia auf nem verstaubten Regal.

Das hier ist also Welch. Mit Story von gerade im Hinterkopf kann man erkennen, dass hier mal mehr los war. Und die großen Häuser stammen offensichtlich aus der ersten Hälfte des 20. Jahrhunderts und ich zumindest konnte mir vorstellen, dass es hier mal viel geschäftiger zuging.

Aber in den morbiden Schluchten leben nette und aufgeschlossene Menschen, wie dieser ältere Herr hier, der eine Steckdose außen an einer Tankstelle nutzt, um sein Tablet zu bedienen. Als ich ihn frage, ob ich ihn fotografieren darf, ist er gerne einverstanden und wünscht mir wortreich für die Weiterreise alle Gute, ich möge vorsichtig sein und immer sicher reisen.

Wie einfach es sein kann, interessante Menschen zu fotografieren. Ich sollte viel öfter einfach anhalten und fragen. Schwarze sehe ich erst hier ab und an. Im gesamten Westen, mal abgesehen von San Francisco kann ich mich an keine Begegnung mit einem Schwarzen erinnern

Inzwischen regnet es wieder. Mal mehr, mal weniger, mal mit und mal ohne Sonne. Kein Wunder, dass es hier so grün ist. Man sollte einfach nirgendwo hinfahren, wo es grün ist. Dann spart man sich den Regen. Das sicherste Reisewetter gibt es ohnehin in Algerien. Das ist mir seit langem klar.

Schade, ich hatte eine kurvige Strecke ausgesucht, die jetzt nur begrenzt Spaß macht. Der Regen wird mit der Zeit intensiver und die Folgen werden sichtbar. Die Straße ist stellenweise mit Schlamm überspült. Es gibt einspurige Sperrungen, dort wo es soviel ist, dass mit schwerem Gerät aufgeräumt werden muss. Es gibt kleine Erdrutsche und bald wird das Ausmaß der Katastrophe deutlich.

Vor einer Woche muss es hier eine extreme Flut gegeben haben. 30 Häuser sind komplett zerstört. Autos und Baumstämme liegen herum, Eisenbahnschienen sind unterspült. Hier ist was großes passiert. An der nächsten Tankstelle bekomme ich die Geschichte erzählt.

Mein Weg führt mich aus dem Tal heraus. Es regnet sintflutartig. Gegen fünf reißt der Himmel auf. Die Sonner scheint. Sofort wird es heiß. Ich halte an einer Pizzeria an. Esse was und lasse meine Sachen trocknen.

West Virginia schneidet ein bisschen schlecht ab heute. Das liegt auch am Wetter. West Virginia und auch Virginia, wo ich heute Abend gelandet bin, ist nicht nett zu mir. Und so nehme ich auch wenig Rücksicht. Aber natürlich hab ich nur einen kleinen Ausschnitt gesehen und dabei meist in nassen Klamotten gesteckt.

Morgen werde ich mal vorsichtig gucken, wie die Piste aussieht. Dem Schlamm hab ich ja schon länger abgeschworen.

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